5 Tipps für eine gelungene Eltern-Kommunikation vor und auf Handicap-Freizeiten
„Wie hoch sind die Türschwellen im Ferienhaus?“ „Wie läuft die Medikamentengabe im Urlaub?“ „Gibt es ein Brandschutzkonzept?“ Bevor Eltern ihr Kind mit Behinderung auf eine Freizeit mit Fremdbetreuung geben, haben sie viiiiiiele Fragen. Das ist verständlich, aber für die Reiseleitung trotzdem kräftezehrend. Bernd Dohmen von der Lebenshilfe Heinsberg kann ein Lied davon singen, er bietet selbst mehrmals im Jahr Freizeiten für Menschen mit Handicap an. Gemeinsam mit ihm haben wir fünf Tipps entwickelt, wie Reiseleitungen mit den Befürchtungen umgehen können. Damit sowohl die Teilnehmer vor Ort als auch die daheimgebliebenen Eltern die freie Zeit genießen können.
1. Sorgen ernst nehmen
Eltern von Menschen mit Behinderung sind meist vorbelasteter als die Eltern gesunder Menschen. Viele haben bis zum Erwachsenenalter ihrer Kinder immer noch nicht verarbeitet, dass ihr Kind je nach Grad der Behinderung ein Leben lang auf Hilfe angewiesen sein wird. Gleichzeitig wünschen sie sich schöne Erlebnisse für ihr Kind. Das führt viele Eltern in ein emotionales Dilemma, wenn sie ihr Kind zum ersten Mal auf eine Freizeit schicken. Alltagsfragen intensivieren sich, manche wollen vorab ganz genau wissen, wie die Gegebenheiten vor Ort sind. Es ist wichtig, den Eltern mit Verständnis zu begegnen, ihre Sorgen ernst zu nehmen und zu besprechen. Das schafft Vertrauen und wirkt sich schlussendlich auch positiv auf die Teilnehmer und die Stimmung auf der Reise aus.
2. Viel fragen, viel sagen
Je mehr Auskünfte der Anbieter selbst von seinen Teilnehmern abfragt, desto weniger Informationen prasseln ungefragt auf ihn ein. Ein ausführlicher Fragebogen, den die Eltern vor Reiseantritt ausfüllen, klärt einen Haufen offener Thematiken, mit denen sich Eltern ohnehin befassen. Darin sollten beispielsweise Nahrungsmittelunverträglichkeiten, Allergien, Besonderheiten beim Essen, der Körperpflege oder der Medikamentengabe abgefragt werden. Aber auch Angaben zum Schwimmstatus, zum Konsum von Genussmitteln, zur Taschengeldregelung oder zur allgemeinen Selbstständigkeit können sinnvoll sein.
Wenn viele Details abgefragt werden, sind Eltern beruhigter und haben das Gefühl, ihr Kind gut vorbereitet auf eine Reise zu schicken. Zusätzlich ist es ratsam, ein ausführliches Portfolio zur Reise herauszugeben, in dem von der Anreise bis zur Unterkunft alles beschrieben wird. Auch ein Vortreffen mit der ganzen Gruppe kann helfen, Sorgen und Ängste der Eltern abzubauen. So lernen sich Angehörige und Begleit-Assistenten schon mal persönlich kennen und auch die Reisegruppe kann sich schon mal beschnuppern.
3. Aufs Wesentliche konzentrieren
Familien von Kindern mit Behinderung haben sich zuhause oft eine perfekte Infrastruktur mit gefühlt tausend Hilfsmitteln installiert und wollen diese auch im Urlaub schaffen. Das ist nachvollziehbar, aber oft gar nicht notwendig. Da gilt es dann, die Eltern sensibel dazu zu bringen, sich beim Packen aufs Wesentliche zu beschränken und flexibel zu sein. Braucht das Kind wirklich einen Duschstuhl im Urlaub oder kann auch mit einer Isomatte auf dem Boden im barrierefreien Badezimmer geduscht werden? Welche Hilfsmittel sind bereits vor Ort? Wie lässt sich die Flugzeit gut gestalten? Reisen bedeutetet Improvisation. An den Gedanken müssen sich Eltern oft erst gewöhnen.
4. Keine Nachrichten sind gute Nachrichten
In Zeiten von Smartphones und Messenger-Diensten wünschen sich manche Eltern, engmaschig mit Fotos, Videos und Neuigkeiten aus dem Urlaub ihrer Kinder informiert zu werden. Das ist fürs Team vor Ort aber gar nicht leistbar und zudem auch nicht zielführend. Schließlich sollen nicht nur die Teilnehmer, sondern auch die daheimgeblieben Eltern mal eine Auszeit vom Alltag erleben und die Zeit ohne ihr Kind genießen. Daher die Empfehlung, vor Reiseantritt klare Kommunikationsregeln zu formulieren – frei nach dem Motto: „Wenn wir uns nicht melden, ist alles gut.“ Ausnahme: Eine kurze Nachricht nach geglückter Ankunft der Gruppe in der Unterkunft beruhigt viele Eltern enorm. In Notfällen können Eltern die Gruppenleitung auf einem Notfallhandy erreichen, das aber wirklich nur für diesen Zweck bereitsteht.
5. Ehrlichkeit einfordern
Bei aller Offenheit, die man als Reiseleiter den Eltern in der Vorbereitung einer Reise entgegenbringt, darf man selbige auch von ihnen erwarten. Bei Menschen mit Behinderung ist es manchmal schwierig vorherzusagen, wie sie sich in einer neuen Umgebung oder einer neuen Gruppe verhalten werden. Trotzdem ist es für das Team wichtig, auf alles vorbereitet zu sein – auch um den Erfolg des Urlaubs für die Gruppe nicht zu gefährden. Wenn also eine Person beispielsweise zu Gewaltausbrüchen neigt oder die Privatsphäre anderer nicht respektiert, sollte dies im Vorfeld nicht verschwiegen oder schöngeredet werden. Nur wenn klar ist, wo Probleme auftreten, können auch Lösungen vorbereitet werden.