Was Freizeitleiter tun können, wenn Kinder Heimweh haben - Handicapreisen Henser

Was Freizeitleiter tun können, wenn Kinder Heimweh haben

Im Sommer vergangenen Jahres haben mehrere Freizeitleiter im Netz davon berichtet, dass seit Corona deutlich mehr Kinder unter Heimweh leiden, als es vor der Pandemie der Fall war. Teilweise mussten Teilnehmende die Fahrt sogar abbrechen, weil die Sehnsucht nach dem Elternhaus zu schmerzhaft war. Warum ist das so? Wir haben mit der Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeutin Lisa Nordmann gesprochen und die wichtigsten Fragen zum Thema geklärt.

Was ist Heimweh eigentlich?

Grundsätzlich ist Heimweh die Sehnsucht nach zuhause und bezieht sich meistens auf einen Ort. Auch Erwachsene können Heimweh haben. Bei Kindern geht es oft darum, die temporäre Trennung von den Eltern zu verkraften. Je jünger sie sind, desto stärker sind sie auf ihre Bezugspersonen angewiesen. Ältere Kinder oder Jugendliche können theoretisch besser mit ihren Emotionen umgehen.

Wann tritt Heimweh auf?

Klassischerweise tritt das Gefühl dann auf, wenn ein Kind etwas Negatives erlebt und damit alleine umgehen muss. Beispielsweise wenn es sich verletzt, bei einem Spiel verliert oder vor eine Herausforderung gestellt wird. Es kann aber auch sein, dass das Heimweh kommt, wenn gerade eine Pause entsteht und es zur Ruhe kommt. Die Ablenkung tagsüber ist groß, daher breitet sich das Gefühl oft abends vor dem Schlafengehen aus.

Warum haben seit Corona mehr Kinder Heimweh als früher?

Durch die Lockdowns und Kontaktbeschränkungen waren viele Kinder und Jugendliche dazu gezwungen, zu Hause zu bleiben und beispielsweise den Umgang mit den Großeltern auf ein Minimum zu beschränken. Sie haben die Trennung von ihren Eltern dementsprechend nicht üben können. Dabei ist genau das ein wichtiger Schritt in der Autonomie-Entwicklung eines Menschen. Kinder gewinnen Sicherheit durch die Erfahrung: “Ich schaffe es, mal woanders zu sein, woanders zu schlafen!” Wenn dieser Entwicklungsschritt aber aufgrund der Pandemie nicht gemacht wurde, kann das auf einer Jugendfreizeit plötzlich zu Problemen führen.

Wie können Betreuende dem begegnen?

Grundsätzlich sollte in der Situation das Gefühl des Kindes erst mal anerkannt werden. Betreuende sollten also vermitteln: Heimweh darf sein! Das Gefühl ist völlig legitim und nichts wofür man sich schämen muss. Diese Botschaft kann auch vorab proaktiv an die Gruppe kommuniziert werden, sodass die Kinder wissen, an wen sie sich wenden können, wenn sie plötzlich Heimweh bekommen. Häufig hilft es dann, wenn man gemeinsam Ziele verabredet: „Bis morgen Abend warten wir ab, dann reden wir nochmal in Ruhe“ oder „Die Wildwasser-Tour zu verpassen, wäre extrem ärgerlich. Solange warten wir noch.“ Außerdem hilft es Familien, wenn im Vorfeld viele Informationen über den Ferienort bekannt sind. Auf Vorbereitungstreffen können zum Beispiel Fotos von der Unterkunft, den Schlafräumen gezeigt werden. Zu wissen, wie es dort aussieht und was passieren wird, gibt Sicherheit.

Was können Eltern tun, um das Heimweh-Risiko zu verringern?

Ganz wichtig ist, dass die Trennung von zu Hause vor Antritt einer Jugendfreizeit geübt wird. Ein Kind, das noch nie länger als eine Nacht woanders geschlafen hat, sollte nicht plötzlich alleine auf eine 14-tägige Reise gehen. Wenn das Kind dann unterwegs ist, sollten Eltern den Kontakt auf ein Minimum reduzieren, am besten sogar ganz ruhen lassen. Wenn das Zuhause nonstop übers Smartphone erreichbar ist, verhindert das möglicherweise ein komplettes Ankommen am Ferienort. Außerdem sollten Eltern niemals das Versprechen geben, ein Kind vorzeitig abzuholen. Das kann Teilnehmende in Kurzschlussreaktionen dazu verleiten, eine Reise abzubrechen. Das Gefühl des persönlichen Scheiterns, das so ein Abbruch auslösen kann , schadet dem Selbstbewusstsein des Kindes auf lange Sicht aber möglicherweise mehr als die Heimweh-Erfahrung. Stattdessen sollten Eltern ihrem Kind von vorneherein vermitteln: Du schaffst das, ich glaube an dich.

Eltern sollten ihrem Kind von vorneherein vermitteln: Du schaffst das, ich glaube an dich

Das Gespräch mit Lisa Nordmann führte Merle Steiger für „Frag Hensers“.

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